Die dritte Person – Oder auch das „Ich sage immer…“
„Ein Stefan Hellfeld spricht nicht von sich in der dritten Person“. Lothar Matthäus möge es mir verzeihen, wenn ich an dieser Stelle sein Zitat etwas abändere. Jedoch ist das Sprechen von sich in der dritten Person mit Sicherheit die Steigerung dessen, über was ich heute ein bisschen berichten möchte.
Wer kennt das nicht, in einer hitzigen Diskussion unterbrochen zu werden. Selbst zu unterbrechen, wenn man denkt, warum spricht das Gegenüber denn nur so langsam und kommt nicht auf den Punkt. Es fällt mir ebenfalls auf, dass ich andere unterbreche. Schlechte Angewohnheit und ich versuche dann immer in der nächsten Besprechung besser aufzupassen, dass mir derartiges nicht wieder passiert.
Womit ich meine Mitmenschen bisher verschonen konnte, ist das „Ich sage immer…“ (hoffe ich zumindest an dieser Stelle). Ein Ausdruck, der die Erfahrung und die Weisheit einer Aussage zusätzlich untermauern soll. Häufiger schon in Besprechungen von unterschiedlichen Menschen gehört. Leider auch schon im Bekanntenkreis, was mich doch etwas irritierte. Herrscht doch eigentlich unter Freunden kein Erfolgsdruck und man muss sich nicht mehr beweisen bzw. einen Vergleich mit dem Gegenüber anstreben. Dieser Vergleich ist es, der ausschlaggebend für die Anwendung der Verstärkung der eigenen Meinung durch das „Ich sage immer“ ist. Die eigene Lebenserfahrung über die Erfahrung des anderen stellen. Aber warum haben wir so einen Drang zum Vergleichen bzw. zum Besser sein als das Gegenüber?
Sich rechtfertigen – gegenüber sich selbst
Betrachtet man es aus sozialpsychologischer Sicht, so soll mit dem „Ich sage immer…“ das eigene Weltbild gestützt werden. In diesem haben wir immer recht. Umso interessanter finde ich es, dass das „Ich sage immer…“ trotzdem angewandt wird, auch wenn sich Menschen nicht mit ihrer Meinung gar nicht ganz sicher sind. „Ich sage immer eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.“ Jetzt kann dieser Satz einem Biologen gegenüber Probleme bedeuten, weil dieser die Meinung evtl. aufgrund von Fachwissen nicht teilt. Man selbst hätte also in den Augen des Gesprächspartners unrecht. Bei „Ich sage immer“ begibt man sich also auf dünnes Eis, weil das Selbstbild (in welchem wir eigentlich immer Recht haben) schnell zerstört werden kann. Es kommt zur kognitiven Dissonanz. Sehr schön an Beispielen erklärt in [1]. Schlussfolgernd kann man sagen, man sollte eine Aussage, die evtl. nicht die Meinung des Gegenübers trifft oder vom Gegenüber widerlegt werden kann, besser nicht äußern, weil man ansonsten eine kognitive Dissonanz hervorruft.
Lösung: Man sollte sich das „Ich sage immer…“ abgewöhnen.
Wenn man den Spieß aber umdreht und sich das Querdenken anschaut, so heißt es (frei nach David Kelley) „Fail Faster, Succeed Sooner“. Frei übersetzt: Wer schneller merkt, dass er einen Fehler macht, kommt früher zum richtigen Lösungsweg. Also sind Menschen, die hin und wieder, ich nenne es mal so: einfach eine Aussage machen, ohne zu wissen, ob diese stimmt, vielleicht die besseren Querdenker. Also sollte man sich eigentlich viel eher das „Ich sage immer…“ angewöhnen, um den eigenen Horizont zu erweitern. Im Umkehrschluss wären wir alle eine wandelnde kognitive Dissonanz. Es muss also einen Mittelweg geben. Vielleicht sollte man auch Acht geben, in welcher Situation man Kelley’s Ratschlag anwendet. Ich denke, der One-Night-Stand könnte sich da etwas peinlich berührt fühlen.
Ich sage immer, Beobachten ist der richtige Weg und entsprechend halte ich an anderer Stelle auf dem Laufenden.
[1] „Ich habe recht, auch wenn ich mich irre“ von Carol Tavris und Elliot Aronson. Riemann-Verlag Amazon